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Flawil
03.04.2022

"Gas für 2022 schon im 2021 Jahr eingekauft"

Bild: Gemeinde Flawil
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt gibt es Fragen zur Gas- und Elektrizitätsversorgung. Wie viel russisches Gas wird nach Flawil geliefert? Wie steht es um die Versorgungssicherheit? Wie werden sich die Preise entwickeln? Luca Zillig-Klaus, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Flawil, gibt Antworten auf diese und weitere Fragen.

Wird russisches Gas nach Flawil geliefert?

Luca Zillig-Klaus: "Wir kaufen unser Gas gemeinsam mit fünf Ostschweizer Gasversorgungsunternehmen (GVU) ausschliesslich am europäischen Grosshandelsmarkt ein, das heisst vor allem in Deutschland. Direkte russische
Handelspartner haben wir kaum. Zudem haben wir die russischen Händler mit Beginn des Ukraine-Konflikts als Gegenparteien gesperrt. Der Anteil an russischem Gas am deutschen Markt beträgt jedoch rund 50 Prozent. Auch an den anderen Handelsmärkten wie Frankreich und Italien sind grosse Gasmengen russischer Herkunft. Wir müssen daher davon ausgehen, dass auch im Flawiler Gas ein Anteil an russischem Gas enthalten ist."

Gibt es überhaupt Alternativen zum europäischen Gasmix?

Luca Zillig-Klaus: "Jeder Haushalt, der mit Gas beliefert wird, hat die Möglichkeit, seinen individuellen Anteil an Biogas zu erhöhen. Das Flawiler Biogas stammt je zur Hälfte aus der Schweiz und aus den Niederlanden. Das wird über die Herkunftsnachweissysteme sichergestellt. Je gefragter Biogas ist, desto stärker wird dessen Produktion ausgebaut. Mit jeder weiteren Biogasanlage in der Schweiz wird die Gasversorgung erneuerbar und unabhängiger von den Gasimporten."

Besteht die Möglichkeit, dass es wegen des Ukraine-Konflikts plötzlich kein Gas mehr gibt?

Luca Zillig-Klaus: "Bis heute gibt es keine konkreten Anzeichen für eine Reduktion der Liefermengen und Kapazitäten in der Schweizer Gasversorgung. Käme es zu einer solchen Reduktion, wäre davon auszugehen, dass zuerst die sogenannten Zweistoffkunden nicht mehr beliefert würden. Begleitet von Sparappellen an die Wirtschaft und an die Bevölkerung. Zweistoffkunden haben die Möglichkeit, auf alternative Brennstoffe umzustellen. Und die Bevölkerung könnte zum Beispiel über die gewählte Raumtemperatur den Gasbezug beeinflussen."

Werden jetzt die Gaspreise erhöht?

Luca Zillig-Klaus: "Wir haben die gesamte Gasmenge für das Jahr 2022 bereits vor dem 31. Dezember 2021 eingekauft. Deshalb sollten die derzeit geltenden Preise bis zum Ende dieses Jahres Bestand haben. Allerdings besteht ein Restrisiko. Falls beispielsweise tiefe Temperaturen einen höheren Gasbezug zur Folge hätten, müsste Gas zu den aktuell sehr hohen Preisen nachgekauft werden. Oder wenn einer der Lieferanten aufgrund der aktuellen Lage nicht mehr liefern könnte, müsste ebenfalls Ersatz beschafft werden. Würde es sich dabei um grössere Mengen handeln, wäre eine Tarifanpassung zur Deckung der Zusatzkosten nicht auszuschliessen."

Und wie sieht es in Zukunft mit dem Gaspreis aus?

Luca Zillig-Klaus: "Gemäss Beschaffungsstrategie der Technischen Betriebe Flawil kaufen wir schon jetzt das Gas für die Jahre 2023, 2024 und 2025 ein. Das heisst: Wir kaufen aktuell sehr teures Gas ein, welches in den nächsten drei Jahren geliefert wird. So lassen sich extreme Marktveränderungen, wie wir sie aktuell erleben, über einen längeren Zeitraum verteilen. Es ist also zu erwarten, dass unsere Gaspreise in den nächsten Jahren stark ansteigen werden."

Hat der Ukraine-Konflikt auch einen Einfluss auf die Stromversorgung?

Luca Zillig-Klaus: "Die Stromversorgung in Europa ist von den russischen Energieträgern Öl, Gas, Kohle und Uran abhängig. Neben dem Gas liefert Russland beispielsweise rund 55 Prozent der Steinkohle für die deutschen Kohlekraftwerke. Ein Teil des Urans, welches die Schweizer Atomkraftwerke antreibt, stammt ebenfalls aus Russland. Entsprechend haben eingeschränkte russische Lieferungen von Öl, Gas, Kohle und Uran einen Einfluss auf die Stromproduktion in Europa."

Kann die Schweiz ihren eigenen Strom unabhängig vom Ausland produzieren?

Luca Zillig-Klaus: "Ja, das kann sie. Das wird ja auch mit der Energiestrategie 2050 des Bundes und der Schweizer Elektrizitätswirtschaft angestrebt. Allerdings müssen alle Schweizer Stromkonsumentinnen und Stromkonsumenten ihren Beitrag dazu leisten, indem sie erneuerbaren Strom bestellen, sich an dessen Produktion beteiligen oder diesen direkt mit der eigenen Photovoltaikanlage oder im eigenen Blockheizkraftwerk produzieren. Je grösser dieser Beitrag ist, desto schneller wird das gemeinsame Ziel einer unabhängigen Schweizer Stromwirtschaft erreicht."

Gemeinde Flawil