Der Antrag der Geschäftsprüfungskommission (GPK), unter Leitung von Angelo Schwizer, sorgte nicht nur für Gesprächsstoff, sondern auch für Verwirrung. Schwizer forderte nichts weniger als die Streichung aller Projekte aus der Investitionsrechnung. Stattdessen sollte jedes einzelne Projekt künftig als Parlamentsvorlage für einen separaten Projektierungskredit zur Abstimmung gestellt werden.
Die Unklarheit über den Umgang mit diesen Anträgen begleitete die ganze Ratsdebatte. Es rächte sich, dass die Motion «Albrecht», welche eine Klärung der Kompetenzen zwischen Stadtrat und Parlamente zum Ziel hat, auf die lange Bank geschoben wurde. Dies ist sicher einer der Gründe, weshalb der Antrag der GPK, eine externe Analyse des Staatshaushaltes durch ein renommiertes Büro vorzunehmen, ausser von der SP von allen Fraktionen begrüsst wurde. Der Kredit im Umfang von CHF 65 000 wurde entsprechend gutgeheissen.
Die Eintretensvoten der einzelnen Fraktionen zeigten die allgemeine Stimmungslage: Einerseits die Sorge um die finanzielle Situation, andererseits fehlende Lösungsansätze, wie diese verbessert werden könnte. So meinte die FDP-Vertreterin Patrize Sönmez nicht ganz zu Unrecht, dass auch die Entscheide des Parlaments immer wieder zu jährlich wiederkehrenden Kosten beitragen würden und sich das Parlament jeweils fragen müsse, ob Kosten und Nutzen in einem günstigen Verhältnis stünden. Elmar Hardegger (Die Mitte) warnte vor der Verschlechterung des Eigenkapitals und kritisierte den Stadtrat, der kaum Sparwillen erkennen lasse. Zudem vermisse er eine klare Haltung des Stadtrates zu einer allfälligen Steuererhöhung. Florian Kobler von der SP betonte, dass Gossau vor einer wegweisenden Entscheidung stehe: Entweder mehr Schulden, ein drastischer Leistungsabbau oder eine Steuererhöhung.
Fehlender Sparwillen oder Budget 2025 als Entwurf?
Als Zuschauer hatte man fast den Eindruck, das Budget sei als «Entwurf» zu verstehen mit dem Auftrag ans Parlament, diesen zu finalisieren. Als Beispiel sei hier der Teuerungsausgleich für das Personal erwähnt. Die budgetierte Teuerung von 1,9% war selbst dem Gewerkschaftsvertreter und SP-Parlamentarier Florian Kobler zu hoch. Er beantragte einen Teuerungsausgleich von 1,1%. Schliesslich wurde ein Teuerungsausgleich von 0,6% gewährt, wie er auch den Angestellten des Kantons bezahlt wird.
Ebenso heftig wurde über die neue Stelle im Unterhaltsdienst und die Streichung einer Stelle in der Stadtentwicklung diskutiert. Aufgrund der angespannten Finanzlage kann Stadtrat Florin Scherrer seinen Unterhaltsdienst trotz eines flammenden Votums nicht mit einer zusätzlichen Person entlasten. Der Antrag von Elmar Hardegger (die Mitte), bei der nächsten Vakanz 100 Stellenprozente bei der Stadtentwicklung einzusparen, zeigt die unglücklichen Folgen von kurzfristig eingereichten Anträgen. Stellen sind gebundene Ausgaben und können nicht einfach gestrichen werden. Der Antrag forderte aber nicht die Streichung von Stellen, sondern die NICHT-Besetzung bei einer Vakanz. Die Zeit für rechtliche Abklärungen war zu kurz, die Verwirrung und Unsicherheit über das weitere Vorgehen umso grösser. Schliesslich stimmte das Parlament der Stellenkürzung unter dem Vorbehalt der rechtlichen Zulässigkeit zu. Wolfgang Giella versuchte vergeblich aufzuzeigen, wie wichtig die Stadtentwicklung für die Zukunft von Gossau ist und welche Projekte ohne die Stadtentwicklung nicht hätten realisiert werden können.
Der mangelnde Sparwille des Stadtrates zeigte sich auch in der fast schon kuriosen Ausschreibung für die Gärtnerarbeiten der Aussenanlagen «Buchenwald1». In der Ausschreibung wurde die Kostenübernahme für «Besichtigung und Ausbinden der Pflanzen in Baumschule mit 4 Personen inkl. Flugtickets innerhalb Europas», … , «Spesen für Übernachtung und Verpflegung», eingefordert. Man sah es dem zuständigen Stadtrat Florin Scherrer an, dass er die Ausschreibung mit Befremden zur Kenntnis nahm; er versprach Klärung. Gleichzeitig machte Stadtrat Scherrer aber auch klar, dass die Verzögerung oder gar Streichung von Unterhaltsarbeiten, wie sie die GPK mit ihrer Streichliste fordert, letztlich oft zu Mehrkosten führen könne.
Fazit nach sechs Stunden Debatte
Die Unzufriedenheit der Parlamentarier, des Stadtrates aber auch der Zuschauerinnen und Zuschauer war kurz vor Mitternacht greifbar. Daraus gilt es die Konsequenzen zu ziehen:
- Der Stadtrat muss die Führungsrolle wahrnehmen und ein fertiges Budget vorlegen, welches Projekte priorisiert und aufzeigt, wohin und wie sich Gossau weiterentwickeln soll. Für dieses Budget soll er in der Debatte kämpfen und das Parlament zu überzeugen versuchen. Die Budgetdebatte hätte vom Stadtrat massgeblich geprägt werden müssen.
- Die im Februar 2023 von Frank Albrecht eingereichte Motion, welche eine Klärung der Kompetenzen von Parlament und Stadtrat sowie der Prozesse bei grösseren Vorhaben verlangte, wurde auf die lange Bank geschoben. Dies rächte sich gestern Abend auf tragische Weise. Allenfalls kann die externe Analyse dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Diese Klärung verlangt höchste Priorität.
- Es braucht eine faire und transparente Zusammenarbeit zwischen Parlament, GPK und Stadtrat. Kurzfristig eingereichte Anträge, wie sie die GPK am 3. Dezember eingebracht hat, sind einer konstruktiven und professionellen Parlamentsarbeit ebenso abträglich wie die unbefriedigende Vorarbeit des Stadtrats. Es braucht bei Anträgen genügend Vorlaufzeit, um rechtliche Fragen zu klären und innerhalb der Fraktionen den Meinungsbildungsprozess anzustossen. Auch dafür braucht es anscheinend klare Regeln.