Im Abtretungsvertrag vom Dezember 2002, mit dem die Gemeinde Wattwil die Spitalliegenschaft kostenlos dem Kanton übergab, ist dieser eine obligatorische Verpflichtung zur Rückübertragung der Liegenschaft eingegangen für den Fall, dass darin kein somatisches Akutspital mehr betrieben wird. Die Verpflichtung ist 20 Jahre lang gültig – also bis Dezember 2022.
Unterschiedlich interpretiert
An einer gemeinsamen Info-Veranstaltung mit Solviva-Geschäftsführer Ulrich Kläy und René Fiechter, CEO der Spitalregion Fürstenland-Toggenburg, am 10. Mai hielt Regierungspräsident Bruno Damann nämlich fest, die vertragliche Verpflichtung werde von der Gemeinde Wattwil und von den kantonseigenen Rechtsdiensten bei Staatskanzlei sowie Gesundheitsdepartement «rechtlich unterschiedlich interpretiert». In der Antwort der Regierung vom 4. Mai auf die Einfache Anfrage Boppart sowie die öffentliche Kommunikation wird die Position der Gemeinde Wattwil jedoch ignoriert. Der Lesart von Staatskanzlei und Regierung steht die Position der Gemeinde Wattwil gegenüber, die auf der Prüfung der vertraglichen Verpflichtung durch einen unabhängigen Rechtsexperten beruht: Nach dem Schliessungs-Entscheid des Kantonsrates vom 2. Dezember 2020 hat der Gemeinderat Wattwil die Option Ende Januar 2021 schriftlich aktiviert. Die vertraglich definierte Frist für die Anmeldung der obligatorischen Rückübertragungsverpflichtung des Kantons ist eingehalten und damit sichergestellt, dass der Anspruch nicht verfällt.
Regierung argumentiert tendenziös
«Der Gemeinderat Wattwil bedauert die einseitige und widersprüchliche Argumentation zu Lasten der Gemeinde. Immerhin hat die Regierung selbst keine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, dass der Schliessungs-Entscheid gefallen sei und bereits 2022 die Bauarbeiten für die Umnutzung starten sollen», betont Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner. «Zum wiederholten Mal informiert die Regierung zum Spital Wattwil tendenziös. Der Gemeinderat legt Wert darauf: Das ist insbesondere mit Blick auf die Referendumsabstimmung vom 13. Juni gefährlich. Die Regierung riskiert, den Volkswillen zu verfälschen. Sie wäre von Rechts wegen dazu verpflichtet, zu Abstimmungsvorlagen transparent und sachlich zu informieren.»
Regierung widerspricht sich
Auf einen Vorstoss von Kantonsrat Ivan Louis antwortete die Regierung vor wenigen Wochen noch – ebenfalls völlig einseitig und rein formaljuristisch –, dass Kantonsrat und Regierung sowieso nicht auf ein erfolgreiches Referendum reagieren werden: Der Spitalschliessungs-Entscheid des Kantonsrates sei abschliessend. Der Volkswillen würde also erneut ignoriert, wie schon der Volksentscheid von 2014 zur Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil. «Zwar äusserte sich Regierungspräsident Damann zuletzt in der Öffentlichkeit differenzierter und liess durchblicken, dass Regierung und Kantonsrat auf den Standortentscheid zurückkommen könnten. Aktuell äussert sich sogar Ständerat Beni Würth zu einer kantonalen Abstimmungsvorlage und bestätigt, dass das Volk 2014 mit der Bauvorlage auch einem Spitalbetrieb zugestimmt hätte», erklärt Alois Gunzenreiner. «Trotzdem fragt sich der Gemeinderat: Weshalb ist die Regierung derart erpicht darauf, die mit Steuergeldern finanzierte Spitalliegenschaft weit unter Wert, ohne öffentliches Bieterverfahren und ohne den Vertrag mit der Gemeinde zu beachten, einem privaten Investor zu überlassen?»
Einzigartige Drohkulisse
Zusätzlich erhöht hat die Irritation des Gemeinderates Wattwil die Drohkulisse gegenüber der St.Galler Stimmbevölkerung. Regierungspräsident Bruno Damann betont, man habe bei einem Nein am 13. Juni und wenn dann auch noch ein Gerichtsentscheid gefällt werden müsse, keinen Plan B. Dies obwohl die Abstimmung lediglich den Standort Wattwil betrifft und keineswegs die kantonale Spitalstrategie. Solviva-CEO Ulrich Kläy setzte der Gemeinde Wattwil gar offen ein Ultimatum: Der Zeitplan, den die Solviva aufgestellt habe, und die Bedingung, dass die Solviva das Eigentum an der Liegenschaft erhalte, seien unverrückbar. Dies obwohl die Firma andernorts Pflegeheime in Miete betreibt. Der Gemeinderat Wattwil hält denn auch fest: «Es ist wohl ein einzigartiger Vorgang, dass einer Behörde von einem Privatinvestor öffentlich ein Ultimatum gesetzt und dies von der Regierung aktiv unterstützt wird, obwohl der Gemeinderat lediglich die Verantwortung gegenüber der eigenen Bürgerschaft wahrnimmt. Es stellt sich die Frage, was die Regierung fürchtet. Das Spital Wattwil macht gerade mal rund 2,5% der St.Galler Spitalverbunde aus, ist für den Kanton also weder organisatorisch noch finanziell systemrelevant – sehr wohl aber für die Gesundheitsversorgung des Toggenburgs».